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🇦🇷 Auszeit 2022 - Nordargentinien

27. Januar 2023 - Sechshundert Kilometer und Happy End

Tagesziel ist San Bernardo in der Provinz Chaco. Das sind über sechshundert Kilometer. Strecke machen, sonst nichts. Zweimal abbiegen, nur grünes Land, heiß, feucht, eine erneute Überquerung des gewaltigen Río Paraná, der in knapp eintausend Kilometern Buenos Aires erreichen wird, und in San Bernardo gibt es keine Unterkunft. Von vier Hotels sind zwei geschlossen, das dritte ist eine Ruine und das vierte existiert gar nicht mehr. Dann muss ich halt weiter. Der nächste größere Ort ist knapp zweihundert Kilometer entfernt, das ist weit für die Uhrzeit. Vielleicht finde ich ja etwas am Wegesrand. Tja, nur das, was ich fand, war zwar preiswert, aber Essen mit telefonischer Bestellung und keine Getränke, nichts. Fünfhundert Meter weiter soll es ein Hotel geben, informiert mich der Mann an der Rezeption, da könne ich es versuchen, aber er wisse es nicht so genau. Dieser Verbrecher! Ein zwar nicht schönes, aber großes Hotel mit allem, was mein Herz begehrt, direkt an der Landstraße. Reichlich Zimmer, Bienchen-Parkplatz, Pool, Restaurant, Bar, großes Bett... Na also. Ein Happy End der Extraklasse und wie beschrieben genieße ich den Abend genau in der obigen Reihenfolge. Hieße ich Hans wäre ich sprichwörtlich im Glück!

28. Januar 2023 - Endlich Berge am Horizont und gesegneter Regen

Auch heute verändert sich bis zum Nachmittag nicht viel, Landschaft, Temperatur und Entfernung wie gestern, eine kleine Mittagspause am Bahnübergang und dann - ja, dann - tauchen die Berge am Horizont auf. Was für eine Motivation, ich habe die grüne Pampa hinter mir. Den jetzt kommenden schönsten Teil der Fahrt wollte ich mir zwar für morgen aufheben, aber übernachten in San Miguel ist keine Option, was ich sehe ist hässlich und wenig vertrauenserweckend. Die Hoffnung, es heute bis El Mollar zu schaffen und dort zu übernachten, ist naiv. Ich vergaß, dass heute Samstag ist und das bedeutet Ausflugsverkehr. Die Bergfahrt nach El Mollar ist zwar wunderschön, allerdings schlängelt sich schon hier eine endlose Blechschlange in die Hochebene hinauf. Ein kilometerlanger Stau vor der Polizeikontrolle ist die nächste Hürde, rechts und links nur Weekend-Kirmes, lärmende Musik, Massen-Asado, Bierstände, knatternde Quads mit brünftigen Youngstern am Lenker und prallen Bikini-Häschen als Sozias, hurra, Komasaufen im Paradies! Ich fahre rechts an der Autoschlange vorbei, die überforderte Polizei interessiert sich eh nicht für mich, den malerischen Bergsee muss ich leider unbeachtet links liegen lassen, dann hinauf in den Nebel des Bergpasses.

Es wird still, nass, kühl und einsam. Ich genieße den Nieselregen, muss mir sogar ein Halstuch anziehen. Die Sichtweite schrumpft manchmal auf unter zwanzig Meter, kein Gegenverkehr mehr. Im Zweifel muss ich bis Cafayate durchfahren, würde noch bei Tageslicht klappen. Die nassen Gipfelwolken enden hinter dem Pass und auf der langsamen Abfahrt ins Nachbartal wird es wunderschön. Plötzlich stehen riesige Kakteen am Wegesrand, die Sonne scheint mir flach entgegen und trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit muss ich oft stehenbleiben und fotografieren. Ein paar Furten sind noch zu überwinden und der Regen des Nachmittags hat mir übel glitschige Abschnitte hinterlassen. Langsam, vorsichtig, nicht lenken, nicht bremsen! Geht doch! Ich erreiche das Tal und ich habe keine Lust mehr. Das nächste Hotel ist meins! Eine große Werbetafel hilft bei der Entscheidungsfindung. 250 m links! Kakteengesäumte Sandpiste, steil hoch, schicker Laden. El Señor hat lugar, Preis ist sowieso in Ordnung. Check‑in. Was für ein Ritt und ich bin nach Wochen von Hitze, Einöde und Endlosigkeit endgültig wieder zurück in meinen geliebten Anden. Die Welt ist so schön, auch wenn sie uns vor mach kleine Prüfungen stellt. Aber das ist das wahre Leben.

29. Januar bis 4. Februar 2023 - Kilometer, Hitze, Sand, Regen und kein Benzin

Die letzten sechs Tage waren lange oder anstrengende Tage und es gibt auch weiterhin viel zu sehen, so dass uns die Zeit wie Sand durch die Finger rinnt. Abends reicht die Energie meist nur noch für ein stärkendes Abendbrot und ein Bier. An Schreiben, Bilder- oder gar Filmbearbeitung ist nicht mehr zu denken. Mir fallen die Augen zu bevor ich richtig angefangen habe.

Heute ist Samstag, der 4. Februar, es ist mieses Regenwetter und es gibt den ganzen Tag keinen Sprit in Humahuaca. Das bedeutet, dass wir bis morgen früh hier festsitzen. Aber das Bitterste ist, wir müssen auf eines der großen Highlights verzichten. Hornocal, das Gebirge der 14 Farben, liegt auf über 4000 Metern und ist damit komplett in den Wolken und im Nebel verschwunden. Auch Abwarten ist keine Option, denn die Vorhersagen prognostizieren keine Besserung in den nächsten Tagen. Wir versuchen uns also Morgen trotz des Regens bis nach Uyuni in Bolivien durchzukämpfen. Ich bin gespannt.

Doch was ist in den vergangenen Tagen alles passiert? Ich habe meinen Aufenthalt in Amaicha um einen Tag Ausruhen verlängert, weil es so schön ist hier. Die kurze Fahrt von Amaicha bis nach Cafayate setze ich also erst am Montag, dem 30. Januar fort. Cafayate ist ein quirliges Bergdorf im sandig heißen Gebirgsklima. Hier treffe ich Christoph wieder, wir wollen bis Bolivien zusammen fahren, da so die Sandpisten sicherer zu bewältigen sind. Alleine will sich da oben keiner auf die Nase legen, an Schlimmeres denken wir jetzt nicht. Es schließt sich für mich ein Ausflug in die Quebrada de Cafayate und zum Amphitheater an, einen Tag später machen wir uns dann auf den Weg über die sandige Ruta 40 bis Cachi. Eine wunderbare Strecke mit unglaublichen Bildern. Der zu erwartende Umfaller im tiefen Sand passiert, diesmal nicht mir, sondern meinem Mitfahrer. Die Reisegemeinschaft hat sich als die richtige Entscheidung erwiesen: Moped aufstellen ist so viel einfacher und wir können weiter. Cachi erreichen wir erst spät, weil wir wegen Straßenbauarbeiten eine schwierige Umleitung nehmen mussten. Es war ein heißer und anspruchsvoller Tag. Wir sind ziemlich platt und freuen uns, dass Morgen ein Pausentag ist.

In Cachi bleiben wir wie gesagt zwei Nächte, treffen uns noch mit zwei Hardcore Moto-Cross-Fahrern, die offroad auf 5000 Meter wollen. Viel Erfolg! Wir für unseren Teil genießen lieber den guten Wein der Gegend und am Freitag fahren wir weiter nach Norden bis Tilcara. Auf dem Weg dorthin liegt der Parque National Los Cardones, ein riesiges Kakteengebiet, das in der Dichte einzigartig ist auf der Welt. Danach geht es in die Berge und durch das lange Valle Calchaquíes in endlosen Serpentinen hinunter bis Salta. Wir brauchen Stunden für die Durchquerung dieser atemberaubenden Berglandschaften, da hinter jeder Kurve ein neues Panorama wartet und der Schotter sowieso keine schnellere Fahrt zulässt.

Das letzte Stück ist dann asphaltierte Schnellstraße und weniger spektakulär. In Purmamarca beginnt es zu regnen, kurz bevor wir den Berg der 7 Farben erreichen. Der schöne Regenbogen ist zwar ein tolles Ereignis, aber der Besuch verkürzt sich auf eine kleine Umrundung des farbigen Hausberges von Purmamarca. Dann zügig bis ans Ziel, nach Tilcara. Hostal suchen, gutes Dinner und als Bonbon ein kleines Platzkonzert im Park.

Heute ist Samstag und der Morgen beginnt mit leichtem Nieselregen. Es sind nur 42 Kilometer bis zum nächsten Etappenziel, aber wir haben eine weite Besichtigungstour nach Hornocal zum Gebirge der 14 Farben vor, was in Summe ebenfalls 40 Kilometer Schotterpiste bedeutet. Mit wenig Hoffnung auf Wetterbesserung fahren wir früh los und als erstes ist die Tankstelle gesperrt wegen Benzinlieferung. Wartezeit mindestens 40 Minuten. Mein Sprit reicht und in Humahuaca, unserem Tagesziel, ist die nächste Tankstelle. Der Regen hält an und alle Berggipfel liegen, wie oben schon beschrieben, in den Wolken. Nach Prüfung aller Optionen entscheide ich mich, im Alleingang heute noch Uyuni in Bolivien zu erreichen. Trotz des bitteren Verzichts auf das Highlight Hornocal wäre es eine enorme Zeitersparnis für mich, denn meine letzten 14 Tage bis nach Santiago sind gut gefüllt mit langen Etappen und mehreren schönen Orten, die ich mir noch ansehen möchte. Doch alle Pläne brechen schnell zusammen, denn es gibt keinen Sprit in Humahuaca. Hätten wir mal die Regel beachtet, immer so früh wie möglich vollzutanken und hätten die Stunde Wartezeit geopfert. Hätte, hätte, hinterher ist man immer schlauer. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als hier zu übernachten und morgen früh zu tanken, der Tankzug soll heute Abend planmäßig liefern. Die ungeplante Wartezeit nutzen wir für ein wunderbares gemeinsames Abendessen und nun drücke ich uns die Daumen, dass wir morgen früh Benzin bekommen und der Ritt durch den Regen und die Kälte nicht allzu hart wird. Es geht nach Uyuni ins Andenhochland von Bolivien und das bedeutet Höhen von über 4000 Metern. Meine warmen Klamotten liegen schon bereit, ich werde berichten.

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