MySpace - Private use only!

Für das, was Social Media nicht versteht oder die Geschichte von Lisa

Herzlich willkommen in meinem Privatleben! Ich freue mich, dass Du mich besuchst. Hier ist mein zu Hause. Es ist etwas unaufgeräumt, nicht alles ist perfekt und unfertige Baustellen gibt es auch immer. Hier lebe ich und hier fühle ich mich wohl. Lass uns auf die Terrasse gehen, das Wetter ist so schön. Möchtest Du einen Kaffee?

Nicht alles gehört auf Social Media, nicht alles ist für öffentliche Augen und Ohren geeignet. Dennoch gibt es schöne und auch nicht so schöne Dinge, von denen ich Dir gerne erzähle, wenn Du magst. Früher, ja früher, da war das anders. Da wusste man Bescheid. Da hat man in ein und derselben Stadt gewohnt und mehr miteinander gesprochen, da ist man sich begegnet, da hat man an der Haustür der Freundin oder des Freundes geklingelt und gewartet, ob jemand öffnet. Ein kleiner Zettel an der Wand übermittelte im Abwesenheitsfall die entscheidende Nachricht: "Wir sind im Schwimmbad! Kuss Lisa." oder "Schornsteinfeger 4.11." Heute sind die Entfernungen zwischen uns groß geworden, obwohl die Welt gefühlt kleiner geworden ist. Wir leben in Sydney, Berlin oder auf Hawaii, und doch sind wir nur eine e-Message voneinander entfernt: "Bin auch gerade schwimmen. Aber am anderen Ende der Welt. Wie geht es Dir, Lisa?"

Eigentlich schön, dass das Leben früher langsamer war, aber warum haben sich so viele unserer Zeitgenossen dann für ein schnelleres entschieden? Gut, die Post brauchte damals Tage und Wochen und ein Telefongespräch, um die Stimme der fernen Freundin zu hören, war unbezahlbar. Dafür war beispielsweise eine Liebeserklärung nicht nur ein vergängliches Herzchen-GIF, sondern bisweilen ein mutiges Unterfangen des Verehrers. Ja ja, "Ich sprüh's auf jede Wand...!", die älteren Leser von Euch werden sich an diesen Refrain erinnern. "Lisa, ich liebe Dich!"
Und heute? Nun, wir haben schon lange das schnelle Leben entdeckt, aber es ist uns zu schnell geworden. Der moderne Mensch hat ein neues Laster hervorgebracht: die Schnelligkeit. Doch "Gemach! Leicht zum Fallen führt das Eilen", mahnte schon Shakespeare mit weisen Worten, und er lebte wahrlich noch in langsameren Zeiten. Heute ist die Menschheit zwar fünfhundert Jahre älter geworden, aber nicht klüger. Wir rennen aneinander vorbei und wir sehen uns nicht mehr, wir kommunizieren mit Lichtgeschwindigkeit und wir hören uns nicht mehr.

Diejenigen von uns, denen die letzten großen Werte unseres Seins noch nicht abhanden gekommen sind, üben sich täglich in mühsamer Balance von Hast und Ruh. So möchte auch ich die schnellen Medien für langsame Worte nutzen und schreibe dann und wann mit Muße, ohne Eile die eine oder andere Zeile. Ihr könnt sie lesen oder wie ein Buch aus der Hand legen und etwas anderes tun. Macht mir doch einfach einen kleinen Zettel an die Tür wenn Ihr etwas lesen oder mich besuchen wollt. Ich freue mich darüber und komme später vielleicht sogar ins Schwimmbad. Lisa ist ja auch dort.