Dolomiten 1983

Späte Dreitagestour Anfang Oktober

Schon Anfang Oktober war es, als wir zu dritt spontan aufbrachen, noch eine Dreitagestour in den Dolomiten zu machen. Per Anhalter erreichten wir über Nacht gegen Mittag des nächsten Tages einigermaßen schnell das Fassatal am Marmolata. Eine relativ aktuelle Wanderkarte des Gebietes hatten wir von irgendwem überlassen bekommen, den Proviant für die Tour bekammen wir im Dorf und dann ging es auch schon los. Jung, stark und mutig waren wir, aber nicht besonders gut vorbereitet. Heute wollten wir bis zur nächst besten Hütte und dort schlafen. Hat geklappt, aber die Hütte war geschlossen. Wandersaison zu Ende, Skisaison noch nicht eröffnet. Nun ja, der winddichte Balkon wäre auch gegangen, im Keller fanden wir allerdings eine alte Kammer mit einem großen Bett. Das sollte für uns drei reichen. Unser Glück, denn über Nacht schneite es und die Temperaturen fielen entsprechend. Der nächste Morgen begann mit einem Kaffee und Sonnenschein. Sachen packen und auf zur ersten richtigen Etappe. Das Ziel war nicht klar definiert, aber die Richtung war klar: Tierser Alpjoch. Zunächst der Anstieg zum Col Rodella, irgendwie hatten wir den korrekten Weg verpeilt, aber wo der Gipfel war wussten wir und solange es bergauf geht, konnten wir nicht falsch liegen. Oben belohnte uns eine tolle Aussicht und ließ uns die Anstrengung schnell vergessen. Grolmannspitze, Langkofel und viele andere Gipfel lagen leicht gepuderzuckert um uns herum. Herrlich! Weiter, wir haben noch ein Stückchen heute. Über den Friedrich August Weg ging es über endlose Wiesenhänge rüber zum Tierser Alpjoch, verlaufen war so gut wie unmöglich. Ständig blieben wir stehen und erfreuten uns an den Bergpanoramen bei glasklarer Sicht. Das haben wir den ganzen Tag so gemacht und noch vor der Dämmerung erreichten wir die Zielhütte. Sie war schon geschlossen, Saison war auch hier vorbei. Es gab eine Schutzhütte gleich nebenan, wo wir wettergeschützt schlafen konnten. Das Abendbrot war glaube ich eine einfache, heiße Suppe, ansonsten bestand es überwiegend aus nahrhaftem Studentenfutter. Davon hatten wir jedenfalls reichlich dabei. Nach dem Abendbrot ein irres Abendrot, dann war Schlaf nötig.

Der nächste Morgen war wieder kalt, aber auch wieder genauso schön wie gestern. Frühstück (vermutlich Studentenfutter) mit Kaffee, dann los. Wir mussten in eine unerwartete Richtung, jedenfalls sagten das die Wegweiser. Einen steilen Felshang galt es zu bezwingen, die Herausforderung war, dass er ziemlich vereist war, dafür aber gesichert. Frühsport! Aber auch das schafften wir, es folgten mehrere Kessel mit elendem, lockerem Schotter. Meine nicht besonders guten Bergschuhe wurden langsam unangenehm im Tragekomfort. Ich habe mir beinahe zwei dicke Blasen gelaufen. Ging aber dann einigermaßen mit häufigem Nachschnüren. Die Ablenkung war aber auch perfekt, der Wanderweg führte unmittelbar unterhalb der Rosengartengruppe vorbei, ich konnte meinen Blick kaum von ihr wenden. Die späte Sonne brachte warme Farben dazu, eine Augenweide. Und im Handumdrehen war die Grasleitenpasshütte erreicht. Eigentlich hatten wir vor, hier noch einmal zu schlafen, aber unser Studentenfutter ging zur Neige, weshalb wir uns den Rest zurück bis ins Fassatal nach Pozza di Fassa noch antaten. Es war aber keine Schwierigkeit, da der Weg hier sehr gut ausgebaut war und wir deshalb kurz vor der Dämmerung das Tal erreichten. Noch flott was einkaufen... Leider zu spät, es gab nichts mehr. Eine gewisse Enttäuschung war spürbar. Aber zum Glück fanden wir noch eine Notration für's Abendbrot. Ich glaube, es waren zwei Beutel Hagebuttentee. Einen ließen wir für's Frühstück. Dann schnell in die Schlafsäcke, es wird kalt.

Am nächsten Morgen war unser Zelt eingefroren und das Überzelt bretthart. Wir fühlten uns ähnlich. Eis abschütteln und nix wie runter ins Tal nach Bozen. Dort mussten wir uns trennen, einen gemeinsamen Lift bekamen wir nicht und wir waren auch nicht mehr wählerisch. Verabredeter Treffpunkt war meine Bude in Essen. Zur Sicherheit hatte ich meine Freundin dorthin bestellt, damit auch ein Erstankömmling ohne Schlüssel nicht vor der geschlossenen Tür steht. Am Abend hatten wir es alle geschafft und es gab auch etwas Gutes zu Essen und viel von den Eindrücken zu berichten.

Man bedenke, es gab weder Internet, noch Digitalfotografie, keine App-Kommunikation oder Instant-Selfies auf dem Smartphone. Wir haben alles mündlich mit Sprache übermittelt! Tolle Tour!