🇦🇩 Andorra - Motoktober

Meine erste Reise mit Bienchen im Oktober 2012

Das Moped ist neu, ich habe es mir zum 50. Geburtstag geschenkt und jetzt, Ende September, ist die erste Gelegenheit, es auszuprobieren. Ich habe noch zwei Wochen Urlaub übrig, da lässt sich doch was machen. Wo war ich denn noch nie und wo ist es schön?

Die Wahl fällt auf Andorra, den winzigen Pyrenäenstaat. Im Herbst sind die Farben bestimmt bezaubernd und auf dem Weg liegen unzählige schöne Gegenden. Die Vorbereitungen sind etwas umfangreicher, da ich seit 24 Jahren keine Motorradtour mehr gemacht habe und meine Erfahrungen fast null sind. Aber das ist jetzt die Herausforderung. Natürlich muss die ganze Kameraausrüstung mit und eine technische Verbindung für mein Navi muss noch gelötet werden. Packprobe. Passt alles. Jetzt noch die Strecke zusammenbauen und auf das GPS laden. Das sollte es sein.

Der Tag der Abreise kommt näher und Samstagmorgen verlasse ich Berlin in Richtung Kraichgau. Dort übernachte ich bei einem alten Arbeitskollegen, Sonntag früh geht’s weiter. Ein kleines Eckchen durch die Schweiz, dann auf der französischen Seite des Doubs bis nach Annecy. Bis hinter Grenoble nutze ich die Autobahn, danach bevorzuge ich die Routes Nationales. Bis nach Garde-Colombe, wo ich nach Westen abbiege und auf winzigen Straßen in einem großen Bogen bis nach Reilhanette fahre. Es ist menschenleer und herrliche Landschaften füllen meinen Nachmittag. Reilhanette war nicht das Ziel, es liegt nur auf dem Weg und es ist wunderschön hier. Im einzigen Hotel ist noch ein Zimmer frei, der freundliche Besitzer ist ein Amerikaner, der hierher ausgewandert ist. Ich bin sicher, es ist nicht die schlechteste Entscheidung seines Lebens gewesen. Und gut kochen kann er auch, sogar französisch. Ich lasse mich kulinarisch verwöhnen, genieße guten Wein und die formidable Aussicht. Dieser Ort bekommt seinen Platz in meiner Hitliste!

Bei bestem Wetter reise ich auf Umwegen und weiterhin auf kleinen Straßen durch die Provence bis in die Camargue. Allerdings enttäuschen mich die Orte und Unterkünfte. Alles ist touristisch verdorben und abgenutzt. Ich lasse den Rummelplatz hinter mir, es ist noch hell und auch für einen Kaffee am Hafen von Sète ist genügend Zeit. Es wird eine lange, aber schöne Fahrt bis nach Tuchan am Rande der Pyrenäen. Ich lande mitten auf dem Land in einem kuriosen Truckerhotel, mit genauso kuriosen wie netten Menschen. Wir plaudern viel, aber lange halte ich nicht durch, ich bin ziemlich müde von der Fahrt.

Tja, und der nächste Tag beinhaltet nur eine sehr kurze Visite in Andorra. Es beginnt kühl und je näher ich den Bergen komme, um so mehr zieht sich der Himmel zu. In Pas de la Case habe ich noch Hoffnung und nehme die Serpentinenstrecke hinauf in die Berge. Das Wetter wird aber nicht besser und als ich in Andorra de Vella ankomme stirbt die Hoffnung. Es ist kalt und ziemlich ungemütlich. Zudem ist das Kaff unschön, es sieht aus wie eine Wintersportleiche, der erst zur Skisaison das Beatmungsgerät wieder angelegt wird. Von den schönen Bergen sehe ich nichts und die Betonhotels in der Innenstadt stoßen mich regelrecht ab. Umdrehen und weg hier! Zu allem Überfluss beginnt es auf der Passhöhe auch noch zu schneien, ich habe zentimeterdicke Matsche auf dem Windschild. Ich nehme den Tunnel zurück, das ist sicherer, bequemer ist es in jedem Fall. Je tiefer ich komme, umso besser wird das Wetter wieder, also fahre ich noch ein ganzes Stück fast bis Toulouse. Hinter mir liegt immer noch sichtbar die dicke Regenwolke über Andorra. Die warme Abendsonne scheint rötlich in die Platanenallee von Revel, hier bleibe ich.

Nun habe ich viel Zeit für die nächsten Tage übrig und die nutze ich für einen Besuch im geliebten Villeneuvette, für eine wunderbare Rundfahrt durch die Cévennes und eine entspannte Tour durch die Auvergne. Wegen einer eingefahrenen Schraube muss ich nach Aurillac und den Reifen wechseln. Dann kann ich auch gleich zur Tropfsteinhöhle nach Padirac fahren. Eine gute Entscheidung, denn die Gouffre de Padirac ist außerordentlich sehenswert! Die genauen Stationen seit Andorra sind Revel, Cirque de Mourèze, Cassagnas, Sainte-Enimie in den Cévennes, Laguiole die Messerschmiede, Mandailles-Saint-Julien und der wunderschön gelegene Lac Des Moines bei Condat. Die Tour kann man genau so nachfahren, ein Erlebnis von Bergen, Schluchten, weiten Landschaften, alten Städten und Dörfern, kulinarischen Highlights und gutem Wein. Besonders hervorzuheben sei die berühmte Messerschmiede Forge de Laguiole und die Gegend um Salers, wo einer der besten Käse Frankreichs produziert wird.

Der Rückweg teilt sich in drei Etappen: Beaujolais natürlich mit Weinbegleitung beim Dinner, Kraichgau mit einem Besuch bei Freunden und der Autobahnetappe nach Berlin. Was für eine herrliche Mototradtour im Oktober. Motoktober!