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Auszeit 2022 - Die Kaukasusreise

Etappe 6: Der schöne Rückweg über Polen und Tschechien

8./9. August 2022 – Durch Ungarn und die Slowakei bis nach Krakau

Es ist Montag und Reisetag von meinem letzten rumänischen Quartier in Satu Mare bis nach Krakau in Polen. Die morgendliche Einreise nach Ungarn war meine letzte kurze Grenzkontrolle, gegen Mittag habe ich die verlassenen Grenzanlagen zur Slowakei passiert und auf irgendeiner kleinen Landstraße stand nachmittags dann nur noch ein Schild „Polska“. Ich bin in Polen. Kleine Landstraßen schlängeln sich durch grüne Landschaften und ich muss mich etwas sputen, denn es wird kühl und sieht nach Regen aus. Es ist nicht mehr weit bis nach Krakau und ich habe Glück, denn die Sonne setzt sich nach einer halben Stunde wieder durch. Etwas chaotisch dann die Anfahrt zum Hotel, denn die Altstadt ist für den Durchgangsverkehr gesperrt. Ich kann den Text der zusätzlichen Verkehrsschilder nicht lesen und interpretiere ihn so, dass ich als Hotelgast in der Altstadt herzlich willkommen bin und alle Durchfahrtsverbote für mich nicht gelten. Das muss richtig gewesen sein, denn es hat wunderbar geklappt und der Parkplatz direkt vor dem Hotelportal war auch frei für mich. Geht doch!

Einchecken, outfitten und amüsieren. Nach der Tour habe ich mir das verdient. Krakau ist eine wunderbare, lebendige Stadt mit viel Geschichte, Kultur und toller Architektur. Da ich schon einmal hier war, kenne ich ein paar Wege und Plätze und finde tatsächlich den einen oder anderen Lieblingsort wieder. Touristisch ist es schon etwas heftig geworden, der ganze Schrabbel hat überhandgenommen. Trotzdem findet man immer noch viele schöne und sehr gute Restaurants, Bars und Musik-Clubs. Besonders in Kazimierz, dem jüdischen Viertel, gibt es sehr ausgefallene und kreative Locations. Meine Empfehlung, falls jemand Krakau auf dem Zettel hat: In Kazimierz ein Hotel buchen, es ist viel entspannter dort und es sind nur zehn Minuten Fußweg in die Altstadt.

So füllen sich die anderthalb Tage in Krakau sehr schnell mit schönen Beschäftigungen und Besichtigungen, mit Fotografieren, Kaffee trinken, Kuchen essen, hervorragendem Dinner, Flanieren, Degustieren und dem nächtlichen Besuch verschiedener Jazz-Bars. Tolle Stadt!

10./11. August 2022 – Ein Gedanke, eine Entscheidung. Ždáň!

Heute steht die letzte Etappe nach Prag an, bevor es wieder nach Deutschland geht. Die Strecke aus Krakau hinaus nach Westen ist bei Weitem nicht so schön wie die Anreise es war. Alles ist ziemlich besiedelt und die Dörfer ziehen sich entlang der Landstraßen. Der Verkehr ist recht dicht, es gibt massenhaft Baustellen mit Wechselampeln und endlosen Wartezeiten. Kleine Straßen sind plötzlich kommentarlos gesperrt. Ich weiß nicht, wie oft ich Verkehrsregeln gebrochen habe oder off-road durch Baustellen gefahren bin. Die Polen machen das nicht anders. Einfach hinterherfahren, die wissen, was geht. Mit deutscher Regeltreue kommt man hier nicht weit.

Mit dem Übergang nach Tschechien wird es schlagartig schöner, viel grün, weniger zersiedelt und dann kommt mir so der Gedanke, dass ich doch schon einmal hier in der Nähe war. Das war im Jahre 2005 auf unserer ersten großen Radtour von Berlin nach Salzburg. Und damals gab es doch diese Moldau-Halbinsel Ždáň. Was aus der wohl geworden ist? Und auf Prag hab ich eigentlich auch keine richtige Lust. Schon wieder eine Stadt? Und wer will Krakau toppen? Also, anhalten, am Eiscafé einen Eiskaffee bestellen (war zufällig gerade eins am Straßenrand), ins Internet verbinden und die Halbinsel suchen. Ždáň liegt 40 km südlich von Prag. Passt! Mach ich! Die Freiheit, einfach etwas entscheiden zu können, ist unbezahlbar. Navi umprogrammiert und auf in die Vergangenheit. Die weitere Überlandstrecke ist herrlich sonnig, dann wird es hügeliger und waldiger je näher ich der Moldau komme. Winzige kurvenreiche Straßen führen in einen dunklen Wald, das letzte Stück ist dann ein Sträßchen steil hinab direkt nach Ždáň. Ich erinnere mich kaum an irgendetwas, die Pension Petra gibt es noch, ist aber kein Hotel mehr, es wohnen zur Zeit ukrainische Flüchtlinge dort. Kurz beschleicht mich die Sorge, hier keine Unterkunft zu bekommen und im selben Moment taucht Penzion Pláž auf. Sie haben noch ein Zimmer mit Terrasse für zwei Nächte und Essen gibt’s auch noch. Die kleine Bar am Moldaustrand hat noch geöffnet und ein tschechisches Markenbier ist schnell gezapft. Das Universum meint es mal wieder gut mit mir.

Lang wird der Abend nicht mehr, nach einem leckeren Salat sitze ich noch eine ganze Weile auf meiner Terrasse und schaue in die Sterne. Dann genieße ich die Stille Moldau-Nacht. Prag? Nein, Prag wäre die schlechtere Wahl gewesen. Gute Nacht!

Der Donnerstag beginnt mit Ausschlafen, Frühstück, Strandspaziergang und dann hole ich ein paar Dokumentationsrückstände auf und lasse den Tag mit gutem Gewissen einfach verstreichen. Die Sonne ist herrlich warm und der große Sonnenschirm spendet mir den nötigen Schatten. Auch heute lasse ich mir einen großen Salat servieren und das gewohnte tschechische Qualitätsgebräu. Mehr passiert nicht und das ist ein schöner Tag so!

12. August 2022 – Heimweg über Berlin

Nach der gelungenen Schlussetappe fahre ich heute nach Berlin und besuche eine alte Freundin aus Studentenzeiten. Ich finde, Rückwege müssen am Ende immer sehr sorgfältig vorbereitet werden, damit der Kulturschock als angenehm empfunden wird! Ansonsten wird man einer von den Jammerern, die nichts Schönes von ihrem Urlaub erzählen können und ausschließlich bedauern, wie schrecklich es zu Hause ist. Ich habe meinen ehemaligen Beamtennachbarn jedes Jahr gefragt: „Wie war Dein Urlaub?“ Und immer kam mit einem tiefen Seufzer die gleiche frustrierte Antwort: „Zu kurz!“ Ein unglücklicher Mensch. Nein, das geht anders. Auf nach Berlin und sich auf sein Heimatland freuen!

Landstraße bis kurz vor Dresden, dann flott über die Autobahn, so erreiche ich noch vor dem Berufsverkehr mein Ziel in Friedrichshain. Die längste Zeit meines Lebens habe ich in dieser Stadt gelebt und es ist immer noch ein Gefühl von „nach Hause kommen“. Ich genieße den Weg durch die riesige Stadt, den ich selbstverständlich ohne Navi fahren kann. Manches hat sich überhaupt nicht verändert, andere Stellen sind nicht wiederzuerkennen. Spannend! Und am Abend gibt es viel zu erzählen.

Meine Reise war nicht kurz, ich habe jeden Tag genossen und erlebt und manchmal auch nur durchgestanden. Ich bin ein bisschen stolz, dass ich alles so gut hinbekommen habe, aber vielmehr als das bin ich dankbar, dass ich die Reise gesund und schadfrei erleben durfte, dass ich so vielen guten, spannenden, fröhlichen und vor allen Dingen gastfreundlichen Menschen begegnet bin und dass ich viele Dinge aus anderer Perspektive sehen und mir ein eigenes Bild von vielen Ländern machen konnte.

Sollte ich jetzt ein Resümee schreiben? Oder ist schon alles im Blog erzählt und dokumentiert? Reicht die Erkenntnis, dass ich alles noch einmal genauso machen würde? Was hat mir am besten gefallen? Was nicht? Und kann ich diese Fragen überhaupt beantworten? Ich denke, das wird noch etwas Zeit brauchen und das ist ja das Schöne am Reisen, wie ich finde. Es wirkt lange nach, man sieht mit etwas Abstand die Dinge oft anders als im Moment des Erlebens, denkt mit der Zeit anders darüber, ändert seine Meinung oder vergisst die Dinge, wenn sie am Ende doch unwichtig waren. Für mich ist der Sinn und der Wert des Reisens nach wie vor, eine eigene Sicht auf die Welt zu gewinnen. Ganz nach Oscar Wilde: „Reisen veredelt wunderbar den Geist und räumt mit all unseren Vorurteilen auf."

Montag werde ich erst einmal wieder zurück sein im Tecklenburger Land. Ich hoffe, Ihr habt Freude gehabt an meinen kleinen Geschichten und seid die ein oder andere Etappe mitgereist.

 

Ende einer wunderbaren Reise. Nach kurzer Pause weiter in Amsterdam

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