Meine erste Motorradreise 1988

🇮🇹 Sardinien

Es ist September, mein Führerschein ist schon über ein halbes Jahr alt, es wird Zeit für eine erste Reise mit meiner alten BMW R60/6 in den Süden. Da ich nicht so genau weiß, was auf mich zukommt und ob das alte Motorrad das alles problemlos mitmacht, werde ich mich auf bekannte Strecken verlassen. Ich weiß zwar nicht, was das helfen soll, aber der Gedanke fühlt sich gut und klug an. Spontan schließt sich eine Freundin als Sozia an, wir fahren zu zweit. Ist bestimmt lustiger als alleine. Wie schon meine Eltern seit jeher pflegten abzureisen, nämlich mitten in der Nacht, starten meine Mitfahrerin und ich unsere Reise auch ein paar Tage später nachts um zwei Uhr. Grund für diese unchristliche Abfahrtszeit ist die günstige Ankunftszeit am Gardasee, die für den späten Vormittag berechnet wurde. Am Gardasee, machten wir früher oft Familienurlaub und dort soll auch das erste Zwischenziel unserer Motorradreise sein. Wie gesagt, ich war ein Motorradfrischling und meine Zeitplanung ging gehörig daneben. Auto und Moped sind eben zwei verschiedene Transportmittel. Auf dem Motorrad war es nachts kalt und windig, diese modernen Hightech Kombis gab es damals noch nicht, man trug Leder. Meine Sozia schlief nach drei Stunden hinter mir fast ein, zur Sicherheit banden wir uns Packgummis um den Bauch. Superidee, bitte nicht nachmachen, das ist lebensgefährlich! Es war noch stockduster als wir dringend Sprit und die erste Pause brauchten, das muss irgendwo auf der A3 im Spessart gewesen sein. In einer warmen Ecke schliefen wir dann etwas und wärmten uns auf. Dann ging es bei Tageslicht weiter. A3, A9, A8 ganz ohne Karte, denn Straßenkarten waren teuer. Der kostenlose blaue „Autobahnfink“, auch die "Tramperbibel" genannt, mit allen Raststätten und Tankstellen muss reichen. Irgendwann erreichten wir den Brenner, es wurde wärmer und Italien mit dem eigenen Motorrad erreicht zu haben, motivierte uns. Den späten Vormittag als Ankunftszeitpunkt hatten wir schon längst gestrichen, wir hofften ganz bescheiden, dass wir noch bei Tageslicht ankommen. Es sollte klappen. Bei Rovereto Süd runter von der Autostrada, dann bis Riva und der nächste Campingplatz auf der Ostseite des Gardasees war unserer. An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, nur das wir unser Zelt aufbauten und irgendwann todmüde in unsere Schlafsäcke stiegen.

Am nächsten Tag war es nicht ganz so weit nach Genua und die Fähre nach Sardinien geht sowieso erst spät abends, das bekamen wir problemlos hin. Die nächtliche Überfahrt nach Olbia verschliefen wir in irgendeiner Ecke auf dem Schiff und früh am Morgen waren wir endlich auf Sardinien. Ab hier weiß ich die genaue Strecke nicht mehr, der erste Campingplatz war in Cala Gonone, damals ein kleines Nest gute 100 km südlich von Olbia, danach führte die Reise vermutlich durch die Berge nach Süden, wo wir eine lustige Truppe von drei Aachenern trafen. Drei Jungs, ein VW-Bus und eine zerlegte 250er Honda Moto-Cross-Maschine im Laderaum des Busses, weil die Fähre dann billiger war. Clever, wenn man schrauben kann! Der Besitzer der Cross Maschine hieß Norbert, alias Big Norb und war ein solcher begnadeter Frickler. Eines Abends reparierte er einem Schafhirten mitten in der Wildnis sogar die Dieselpumpe seines Brunnens. Das brachte uns allen ein kostenloses Abendbrot im Nomadenzelt des Hirten ein. Wir bekamen aber nicht viel runter, weil es darin tierisch nach Schaf stank. Lustig war’s aber.

Nun, eines Tages baute Big Norb seinen Bock zusammen und machte sich mit meiner Mitfahrerin aus dem Staub, die beiden hatten sich irgendwie gefunden und ich blieb mit den beiden andern und dem VW-Bus unterwegs. Fahrer war die „Nadel“, weil er aussah wie Donald Sutherland und genauso cool war. Den Namen des Dritten habe ich vergessen, er durfte mein Moped fahren, weil ich während der Fahrt lieber im Bus pennte. An der Nordwestküste zelteten wir in den endlosen steinigen Wiesen auf der Steilküste. Wir finden „Spielsachen“ wie ein Schrottauto mit einem Regenschirm auf der Rückbank. Fotoshooting! Später dann auf der Halbinsel Capo Testa begeisterten mich die runden, erodierten Steine, die angeblich Henry Moore inspiriert haben sollen zu seinen berühmten Skulpturen. Wer weiß, ob’s wahr ist, jedenfalls ist die Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen. So vergehen die Tage und wir entscheiden uns den Rückweg über Frankreich zu nehmen.

Von Porto Torres setzen wir mit der Fähre über zurück nach Genua und fahren an der Küste entlang nach Avignon, wo wir noch einmal übernachten. Das erste Herbstunwetter überrascht uns in der Nacht und am Morgen stehen wir knöchelhoch auf den Straßen im Wasser. Nichts wie zurück. Die „Nadel“ hat mir noch seine Mütze geschenkt, weil ich sie so cool fand, dann verloren wir uns irgendwo auf der Autobahn bei Beaune. Sie sind nach Aachen wohl geradeaus gefahren, ich rechts ab nach Mulhouse um Maut zu sparen. Wir haben uns nie wiedergesehen. Was für eine witzige und tolle erste Motorradtour. Und mein alte Dame, die ehrwürdige Gummikuh, hat das wunderbar mitgemacht.