Muster

Ähnlichkeit, Ordnung und das Chaos

Ein Muster ist ein sich wiederholendes und in seiner Fortsetzung absehbares Phänomen. Muster kommen an fast allen Objekten der Welt vor, nicht immer bezieht sich die Wiederholung auf alle Charaktermerkmale des Objektes. Oft reicht ein Merkmal für die Erkennbarkeit eines Musters. Beispiel: Alle gemalten Herzen eines Bildes haben eine andere Farbe und eine andere Größe. Diesbezüglich bilden sie kein Muster, ihre grundlegende Geometrie (= Herz) ist jedoch dieselbe. Damit zeigt das Bild ein Muster. Übertragbar ist dieses Beispiel auf alle Körper, Oberflächen, Strukturen und auf die Physik, Chemie und Biologie ganz allgemein. Dabei können ähnliche Muster in völlig sachfremdem Bereichen entstehen, wie z.B. bei Schokoladengittern und neuronalen Netzen von Organismen. Muster existieren nicht nur bei räumlich wahrnehmbaren Objekten, sondern auch in zeitlicher Dimension, das heißt in der Wiederholung von Ereignissen (Verhalten, Sprache und universelle Veränderung). Diese ist für mich als Fotograf allerdings weniger relevant oder nur mittelbar darstellbar. Bleiben wir also in der räumlichen, visuell wahrnehmbaren Ordnung. Warum gibt es dort überhaupt Muster?

In der Evolution haben Muster eine überlebenswichtige Relevanz. An ihnen ist eine unmittelbare Gefahr zu erkennen, man denke an einprägsame Warnmuster auf giftigen Organismen oder an Geräuschmuster von Prädatoren. Im umgekehrten Fall kann das Muster eines Kuhfells oder das Klangmuster von tropfendem Wasser als harmlos erkannt und ignoriert werden. Bei allen Betrachtungen dieser Art muss jedoch immer die Stochastik berücksichtigt werden, das bedeutet einfach ausgedrückt, Muster sind nur mehr oder weniger genau übereinstimmend, werden aber dennoch mit hoher bis ausreichender Sicherheit korrekt sinnlich oder kognitiv identifiziert. Unter dieser Prämisse ist es sogar möglich, Ähnlichkeiten im scheinbar Unvereinbaren zu erkennen. So werden Messer, Löffel und Gabeln in einem Besteckkasten durchaus als ein hochgeordnetes Muster wahrgenommen, wenn sie sortiert angeordnet sind. Noch extremer ist es bei Mustern, die sogar in chaotischen Systemen existieren (z.B. Fraktalen). Dazu gehören mathematische Gebilde wie die Julia-Mengen, die berühmte Mandelbrot-Menge oder der unbekanntere Pythagoras-Baum. Natürliche chaotische Muster findet man u.a. sehr prägnant bei Farnen, Romanesco oder Sukkulenten.

Muster haben immer eine Ursache (Wind ⇒ Wellen im Wüstensand), erfüllen mehr oder weniger evident einen Zweck (Gestapelte Kisten = Dichte Packung ⇒ Raumersparnis) oder folgen universellen mathematischen Funktionen (Farne ≈ Julia-Menge). Man betrachte per exemplum die regelmäßigen Wellen des Bleches auf dem Header-Foto dieser Website, sie dienen der Stabilität und Standfestigkeit (Zweck) - vielleicht weil Herzen manchmal schwer sein können ;-) Ein sich entfaltender Farn offenbart eindrucksvoll seine frappante Analogie zu fraktalen Strukturen, z.B. zu den schon erwähnten Julia-Mengen oder zur Mandelbrot-Menge, und selbst simpler erscheinende florale Strukturen wie Äste (Bifurkationen) oder Blattfolgen (Periodizität) unterliegen einfachen mathematischen Fraktalfunktionen. Als Erklärung liegt es nahe, dass eine solche vergleichsweise simple Formel genetisch "platzsparender" zu codieren wäre als ein kleinteiliger, dezidierter Bauplan für einen gesamten Organismus. Zudem ist eine Formel unbegrenzt wiederholbar anwendbar, ein Organismus könnte also theoretisch, ähnlich wie ein Mycel, unbegrenzt weiterwachsen. Vor diesem Hintergrund finde ich es äußerst spannend, derartige Muster im Alltag aufzuspüren oder einfach nur wahrzunehmen. Sie sind millionenfach überall zu finden, man muss nur achtsam hinschauen. Einige habe ich Euch aus meinem Fundus mal ausgegraben... Lasst Euch inspirieren!

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